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June 19, 2023
Ludwig Oestreicher

Essay: Im Wurmloch zwischen Digitalisierung und Dosenbier

Von digitaler Transformation und Unternehmenskultur
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Digitale Innovationen und Prozesse sollen alles besser machen, zumindest wünschen wir uns das. Besonders, wenn man am Berliner Hauptbahnhof steht und feststellt, dass der Flixtrain scheinbar immer schneller in Dortmund ankommt als der ICE. Still fluchend steht man dann am Gleis – mit Maske kommt man sich schon fast wieder ein bisschen komisch vor – und liest an einer Anzeigetafel : “Mit dem Einsatz digitaler Technologien entsteht ein nachhaltiger Wandel für das System Bahn” – na, dann sind wir mal gespannt. Aber okay, denken wir doch mal darüber nach, wir stehen schließlich gerade auf dem Gleis und haben also noch eine Menge Zeit.

Zwei andere wartende Passagiere sind nach einem Wutvortrag über die Bahn vom Hölzchen aufs Stöckchen gekommen, beide mit Dosenbier im Anschlag – Neid kommt auf – und wettern wild drauf los: „Deutschland hat sowieso schon die Digitalisierung verschlafen, vor allem in mittelständischen Industriebetrieben ist das eine Katastrophe, die kommen nicht inne Pötte!“

Alles klar, jetzt sind es also die KMU. Gut, die Bahn muss ja nicht an allem Schuld sein. Doch woran könnte es denn liegen, dass die digitale Transformation in mittelständischen Industrieunternehmen scheinbar eine riesige Herausforderung ist? Sind es gute Ideen, Innovationen oder digitale Prozesse, an denen es mangelt? Ganz sicher nicht.

Wir dürfen nicht vergessen: Digitale Technologien versprechen riesige Wertschöpfungspotenziale in allen nur erdenklichen Bereichen – doch wie genau sie etabliert werden sollen, ist eine ganz andere Frage! Die Vision der Industrie 4.0 beschreibt automatisierte Prozesse, dezentrale Steuerungssysteme, die Vernetzung von Menschen, Maschinen, Anlagen usw. Das bedeutet für produzierende Unternehmen zwangsläufig die Veränderung ihrer industriellen und unternehmenskulturellen Umweltbedingungen. Und mit Veränderungen von Umweltbedingungen sollten wir uns schließlich auskennen – beim Gewohnheitsmenschen kommt das nicht gut an, die Belegschaft ist nicht begeistert. Ungefähr so wie die junge Schaffnerin, die nun den beiden genervten Herren von vorhin erklären muss, wo sich das Bordbistro des endlich eingefahrenen ICE befindet. Die Arme kann doch nichts für die Verspätung!

Genauso ist es mit Mitarbeitenden in Industriebetrieben – auch denen ist doch kein Vorwurf zu machen: Sie haben sich bei der Entscheidung für ihren Beruf auch für eine bestimmte Unternehmenskultur entschieden, die sich nun durch die digitale Transformation komplett verändert. Kein Wunder, dass digitale Prozesse oftmals als „Arbeitsvernichter“ angesehen werden – warum sollte verändert werden, was immer gut funktioniert hat?

Strategisch effizient wäre hier also eine maßvolle Reaktion auf sich verändernde Rahmenbedingungen, das Etablieren von stetigen Lernprozessen oder zumindest die schrittweise Anpassung von Denkmustern. Die digitale Transformation führt schließlich zu neuen Interaktionsprozessen: Vertriebskanäle oder Service-Architekturen verändern sich und beschäftigen sich anders mit Kundenwünschen. Um das unter den vorherrschenden Gegebenheiten zukunftsfähig gestalten zu können, müssen gerade Firmen im Mittelstand ihre Unternehmenskultur berücksichtigen. Und diese bestimmt nun einmal die Grundannahmen, was wünschenswert und legitim ist. Die digitale Transformation stellt genau das infrage, auch wenn sie es gut meint. Für Mitarbeiter/-innen oder Inhaber/-innen von mittelständischen Unternehmen kommt das häufig dem Verlust ihrer Werte und Traditionen gleich. Wer kann es ihnen verdenken?

Dabei ist doch eigentlich klar: Besonders diejenigen, die schon jahrzehntelang ihren Beruf ausüben, verfügen Branchenwissen und Erfahrung, ohne die neue digitale Prozesse in der tatsächlichen Praxis oftmals nicht realisiert werden könnten. Wirtschaftliche Prognosen bleiben Prognosen, fachspezifische Expertise entscheidet über Erfolg und Misserfolg. Ob die digitale Transformation vollständig stattfinden wird, muss unseres Erachtens nicht diskutiert werden, aber wie, an welchen Punkten, wo, wann und vor allem warum – das alles hängt individuell von der jeweiligen Unternehmenskultur ab: Potenziale müssen immer anhand von Unternehmenszielen, Marktanforderungen und Kundenbedürfnissen ausgelotet werden, Veränderungen allemal. Wie war das noch gleich, „wenn Sie einen besch… Prozess digitalisieren, haben Sie einen besch… digitalen Prozess“ oder so ähnlich?

Dementsprechend sollte auch bei jeder Beratung in diesem Bereich die schrittweise Entstehung von digitalisierungsförderlichen Unternehmenskulturen im Vordergrund stehen. Denn die Grundvoraussetzung dafür ist, dass bestehende Strukturen sinnvoll verändert werden und zukunftsfähig bleiben.

Puh, das ist alles gar nicht so einfach, wenn man genauer darüber nachdenkt. Doch mit den richtigen Werkzeugen, Fachwissen und strategischer Aufstellung sollte auch diese Herausforderung zu bewerkstelligen sein. Naja, sehen wir jetzt erstmal darüber hinweg, dass der Zug – der mittlerweile 70 Minuten Verspätung hat – plötzlich auf offener Strecke vor Bielefeld anhält, warum auch immer. Die Platzreservierung ist verfallen, zu viele Menschen. Gut, dann eben doch noch ins Bordbistro und bei einem Pils den anderen Leuten zuhören, die immer etwas zur digitalen Transformation zu sagen haben. Eine Meinung dazu haben schließlich alle …

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